Die US Open in New York bilden jeweils den Abschluss der Grand-Slam-Turniere eines Kalenderjahres und gelten als das lauteste Tennis-Turnier der Welt. Welch ein Unterschied zur ruhigen, fast schon mystischen Atmosphäre in Wimbledon. Damen-Einzel:
Wie zuletzt stets der Fall gibt es keine klare Turnierfavoritin. Mindestens 15 - 20 Spielerinnen können sich Chancen auf den Turniersieg ausrechnen. Derart gering sind zum einen die Leistungsunterschiede, zum andern gelingt es fast keiner Topspielerin konstant auf hohem Niveau zu spielen. Diese Tendenz wird auch während des Turniers bald ersichtlich. Simona Halep, triumphale Gewinnerin in Wimbledon, scheitert bereits in Runde 2 an einer amerikanischen Qualifikantin. Ashley Barty, siegreich bei den French Open, erwischt es im Achtelfinale. Ebenso die Vorjahressiegerin und Weltranglisten-Erste Naomi Osaka, welche gegen Belinda Bencic die Segel streichen muss. Belinda ihrerseits hatte im Vorfeld des Turniers mit Fussproblemen zu kämpfen. Doch nach harzigem Start kommt sie immer besser in Schwung und qualifiziert sich erstmals in ihrer Karriere für ein Halbfinale bei einem GS-Turnier. Im Halbfinale gegen Bianca Andreescu zeigt sie einen ganz starken ersten Satz bis zum 6:6. Bis zu diesem Spielstand mit Vorteilen schleichen sich dann im Tie-Break jedoch leichte Fehler ein. In Satz 2 führt sie dann mit Doppelbreak und 5:2, bevor die 19-jährige Kanadierin die Wende schafft. Der Traum vom Finale ist geplatzt, doch insgesamt ein starkes Turnier, das weiter Auftrieb geben sollte. Warum hat es nicht ganz gereicht? Die Kommentare unter www.srf.ch/sport/tennis/grand-slam-turniere/bitteres-out-im-halbfinal-bencics-traum-vom-final-brutal-geplatzt gehen fast durchwegs in eine Richtung: Wieder einmal sei Belinda an ihren Nerven gescheitert. Sie müsse dringend im mentalen Bereich arbeiten. Doch wer Belinda Bencic salopp als mental schwache Spielerin hinstellt, hat ein ausgeprägtes "Schwarz-Weiss-Denken". Insgesamt ist Belinda Bencic mental weit vorne anzusiedeln. Sie ist willensstark, furchtlos, mag die grosse Bühne. Sie ist jedoch auch temperamentvoll. Ihre Emotionen können manchmal hilfreich sein, manchmal jedoch auch leistungshemmend wirken, wenn sie Konzentration und Selbstvertrauen negativ tangieren. Selbstverständlich gibt es somit im mentalen Bereich Verbesserungspotential. Aber bei wem nicht? Samstag, 7. September: Es kommt zum Finale zwischen der 37-jährigen 23-fachen GS-Siegerin Serena Williams und der 19-jährigen Senkrechtstarterin Bianca Andreescu. Von Beginn an agieren die Beiden mit einem horrenden Tempo. Andreescu ist völlig unbeeindruckt, wirkt selbstbewusst und fokussiert. Serena Williams spielt gut, doch hat von Anfang an grosse Probleme mit ihrem Aufschlag. Nachdem sie im ersten Game 40:15 vorne liegt, verliert sie es doch noch mit zwei Doppelfehlern. Was eine Stärke sein sollte, wird an diesem Tag zum grossen Handicap. Nach einem hochstehenden ersten Satz, den die vermeintliche Aussenseiterin mit 6:3 für sich entscheiden kann, passt bei Serena in Satz 2 lange Zeit nicht mehr viel zusammen. Sie wird zusehends unruhiger und hadert mit ihrem Aufschlag. Bei 1:5 scheint die Partie entschieden zu sein. Andreescu schlägt zum Matchgewinn auf und hat bei 40:30 einen Matchball. In diesem Game agiert Serena plötzlich viel ruhiger, nimmt etwas Tempo raus und spielt nun kontrollierter. Und siehe da, ihr gelingt ein erstes Break, plötzlich kommen auch auf der andern Seite einige leichte Fehler. Die Zuschauer wittern die grosse Wende und plötzlich steht es tatsächlich 5:5. Doch Bianca Andreescu lässt sich nicht mehr von ihrem Weg abbringen, bleibt auch in dieser Phase ruhig und verwandelt schliesslich ihren 3. Matchball. Wer Bianca Andresscu in dieser Saison verfolgt hat, weiss: Sie bringt alles mit, um über Jahre eine dominierende Spielerin zu werden. Das Potential dazu ist vorhanden, doch warten viele Herausforderungen auf ganz unterschiedlichen Ebenen auf die junge Kanadierin mit rumänischen Wurzeln. Wird sie als "Gejagte" auch derart unbeschwert spielen können? Wird sie weiterhin derart fokussiert weiterarbeiten? Und wird sie einen Weg finden, um möglichst verletzungsfrei zu bleiben? Denn ihre Verletzungsgeschichte ist bereits beängstigend lang. Auch in diesem Jahr musste sie aufgrund von Schulterproblemen monatelang aussetzen. Und Serena Williams? Es ist eigentlich unglaublich, dass sie mit 37 Jahren und ihrer Biographie noch absolute Weltklasse und immer noch das Mass aller Dinge ist, wenn sie körperlich fit ist und ihr spielerisches Potential auf den Platz bringt. Seit ihrer Rückkehr im Frühjahr 2018 stand sie 4-mal im Finale eines GS-Turniers. Doch die Finalbilanz lautet 0:4 und was besonders auffällt. Bei all diesen 4 Turnieren spielte Williams ein hervorragendes Halbfinale, um dann im Finale nicht mehr annähernd an diese Leistung anknüpfen zu können. Es ist mittlerweile offensichtlich, dass es sich dabei um ein mentales Problem handelt. Es scheint, als ob die ständigen Fragen nach dem 24. Titel belastend wirken und sie sich von der äusseren und eigenen Erwartungshaltung erdrücken lässt, In ihren eigenen Worten drückte sie sich wie folgt aus: "Um ehrlich zu sein, war Serena heute einfach nicht anwesend. Ich muss einen Weg finden, dass sie in Grand-Slam-Endspielen wieder zum Vorschein kommt." Comments are closed.
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