Die French Open 2019 gingen am Sonntag, 9. Juni, mi dem Finalsieg von Rafael Nadal zu Ende, der sich, wie im Vorjahr, im Endspiel gegen Dominic Thiem in vier Sätzen und letztlich sehr klar durchsetzte. Nadal bastelt somit weiter an seinem Legendenstatus und holte sich den Titel in Roland Garros bereits zum 12. Mal - eine einmalige Bilanz! Bei den Damen gab es dafür mit der 23-jährigen Ashleigh Barty eine neue Grand-Slam-Siegerin. Die Australierin glänzt mit ihrem variantenreichen Spiel, galt vor dem Turnier jedoch nicht als sehr gute Sandplatzspielerin. Wenn wir die Konkurrenzen im Herren-Einzel und Damen-Einzel etwas näher miteinander vergleichen, ist etwas mehr als augenfällig. Während bei den Herren die Top 4 die Halbfinals geschlossen erreichten, verabschiedeten sich bei den Damen die topgesetzten Spielerinnen schon ziemlich früh. Im Halbfinale standen Ashleigh Barty (WTA 8), Johanna Konta (WTA 26), die 19-jährige Marketa Vondrousova (WTA 38) und die erst 17-jährige Amanda Anisimova (WTA 51). Die Britin Konta konnte bei ihren 6 bisherigen Teilnahmen in Paris keine einzige Partie gewinnen. Nun erreichte sie das Halbfinale und spielte im Viertelfinale gegen die Vorjahresfinalistin Sloane Stephens eine herausragende Partie. Belege dafür, dass im Damen-Tennis derzeit fast alles möglich ist, währenddem sich bei den Herren die Stars der Szene weiterhin nicht verdrängen lassen. Schon ziemlich lange wird auf der ATP-Tour von der "next generation" gesprochen, doch am Ende grüssen nach wie vor Rafael Nadal, Novak Djokovic oder Roger Federer mit der Siegestrophäe.
Nadal, Djokovic, Federer: Sie dominieren seit weit über einem Jahrzehnt und verfügen über herausragende spielerische und athletische Fähigkeiten. Doch insbesondere ist es die mentale Stabilität, welche der Schlüsselbereich für all diese Erfolge ist. Wie es einst Rafael Nadal ausdrückte: "Die mentale Stärke macht alles andere erst möglich." Mentale Stärke beinhaltet dabei sehr viele Elemente wie Selbstvertrauen, Konzentrationsfähigkeit, Motivation, mit Druck umgehen zu können, etc. Bei dieser Aufzählung gehen häufig Faktoren vergessen, welche ebenfalls zentral sind, um konstant auf einem hohen Niveau spielen zu können: Die Fähigkeit Lösungen zu finden, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, das Spiel den Gegebenheiten anzupassen und bis zuletzt an seine Chance zu glauben. Auch darin sind die drei Meister. Wenn wir an dieser Stelle einen kurzen Abstecher zum Fussball machen. In der abgelaufenen Champions-League kam es im Halbfinale zur Begegnung zwischen Barcelona und Liverpool. Nach dem 0:3 im Hinspiel war die Ausgangslage vor dem Rückspiel für Liverpool fast hoffnungslos und erschwerend kam hinzu, dass mit Mo Salah und Roberto Firmino zwei Stürmer des gefürchteten Liverpool-Sturm-Dreizack verletzungsbedingt ausfielen. Doch mit einer eindrücklichen Mentalität gelang das "Wunder" an der Anfield-Road tatsächlich. Unter den Zuschauern auch Mo Salah, ein T-Shirt tragend mit der Aufschrift "Never give up".... Zurück zum Tennis und zu den Damen. Bereits vor den French Open war der Tenor, dass das Turnier sehr offen sei und wohl 20 - 30 Spielerinnen für den Turniersieg in Frage kommen. Und ganz klar: Die Leistungsdichte hat bei den Damen in den letzten Jahren enorm zugenommen. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit, warum es plötzlich so viele verschiedene Siegerinnen gibt, die Nummer 1-Position munter wechselt, eine Spielerin ein Turnier gewinnt und beim nächsten bereits wieder früh ausscheidet. Offensichtlich ist, dass auch die heutigen Topspielerinnen grosse Leistungsschwankungen zeigen. Von Turnier zu Turnier, von Runde zu Runde, manchmal aber auch innerhalb einer einzelnen Partie. (zum Matchbericht Damen-Halbfinale Ashleigh Barty vs. Amanda Anisimova). Und wie können grosse Leistungsschwankungen erklärt werden? Fast immer durch mentale Faktoren! Auch den Topspielerinnen mangelt es an mentaler Stabilität: Die oben angesprochenen Dinge (Anpassungsfähigkeit, Hindernisse zu überwinden, Lösungen zu finden, nicht aufzugeben) sind nicht so ausgeprägt entwickelt wie bspw. bei einem Rafael Nadal. Da gäbe es sehr viel Verbesserungspotential. Wenn bspw. Angelique Kerber (ehemalige Nummer 1 und Gewinnerin von drei Grand-Slam-Turnieren) ihre Standartantwort auf eine unerwartete Niederlage gibt: "Heute war einfach nicht mein Tag", tönt es resignierend und wenig lösungsorientiert. Doch seit 2009 ist auf der WTA-Tour das "On-Court-Coaching" erlaubt. Einmal pro Satz kann eine Spielerin ihren Coach auf den Platz rufen. Eine Regelung also, welche die Selbständigkeit der Spielerinnen weiter schwächt. Anstatt selbst eine Lösung zu suchen, wenn es nicht so läuft wie gewünscht, wird die Verantwortung abgegeben. Häufig sind es dann Monologe, welche zu sehen sind und man gewinnt öfters den Eindruck, dass die Spielerinnen anschliessend einfach versuchen umzusetzen, was der Coach eingetrichtert hat, anstatt selbst zu spüren, welche Anpassungen auf mentaler oder taktischer Ebene zu treffen sind. Johanna Konta, welche seit Oktober 2018 von Dimitri Zavialoff gecoacht wird, der auch schon mit Stan Wawrinka und Timea Bacsinszky erfolgreich zusammengearbeitet hat, sagte etwas sehr Interessantes an der Pressekonferenz nach ihrem Viertelfinalsieg gegen Stephens: "Er ist grossartig darin, mich zu meinem Spiel zu ermutigen. Er gibt mir den Freiraum, so zu spielen, wie ich es will." Wenig überraschend, dass Zavialoff von "On-Court-Coaching" deshalb wenig hält... Comments are closed.
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